Stärkung der kommunalen Organisationshoheit und Daseinsvorsorge? Referentenentwurf sieht erweiterte Handlungsspielräume der Kommunen und kommunalen Unternehmen bei In-House-Vergaben, interkommunalen Kooperationen und Verwaltungskooperationen vor
Bundeskabinett beschließt Vergabetransformationspaket
Das Bundeskabinett hat am 27.11.2024 den vom Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz vorgelegten Entwurf zu einem Gesetz zur Transformation des Vergaberechts („Vergabetransformationspaket“) beschlossen. Das zentrale Anliegen der Reform sind die Berücksichtigung von Nachhaltigkeit und Klimaschutz sowie die Digitalisierung und Beschleunigung von Vergabeverfahren. Das Vergabetransformationspaket sieht maßgebliche Änderungen der Vergabegesetze auf Bundesebene vor. Bestandteil der Änderungen sind auch Klarstellungen und Erweiterungen bei In-House-Vergaben, interkommunalen Kooperationen und Verwaltungskooperationen, die aus Sicht der Kommunen und kommunalen Unternehmen zu begrüßen sind.Was galt bisher?
Mit der Vergaberechtsnovelle im Jahr 2016 wurden die bisher „lediglich“ von der Rechtsprechung anerkannten ausschreibungsfreien Formen der öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit erstmals in das Gesetz überführt (§ 108 GWB). Seitdem besteht Rechtssicherheit bei der- klassischen In-House-Vergabe nach § 108 Abs. 1 bis 3 GWB und der
- einfachen Enkelvergabe, der umgekehrten In-House-Vergabe und der Schwester-Schwester-Vergabe sowie der
- klassischen In-House-Vergabe bei gemeinsamer Beherrschung nach § 108 Abs. 4 und 5 GWB.
- Zudem wurde die in der Rechtsprechung anerkannte Fallgestaltung (EuGH vom 9. Juni 2009, C 480/06 „Stadtreinigung Hamburg“) der interkommunalen Kooperation (z.B. vertragliche Zusammenarbeit mehrerer öffentlicher Auftraggeber) nach § 108 Abs. 6 GWB ausdrücklich geregelt.
Was soll sich nun ändern?
Bisher nicht gesetzlich geregelt sind die in der Praxis gleichsam weit verbreiteten Abwandlungen von den vorgenannten, ausdrücklich geregelten Ausschreibungsausnahmen. Ausdrücklich erlaubt ist zukünftig nach § 108 Abs. 4 S. 2 GWB (neu) eine ausschreibungsfreie In-House-Vergabe bei gemeinsamer Kontrolle mehrerer öffentlicher Auftraggeber sowohl in Gestalt der Enkelvergabe, der umgekehrten In-House-Vergabe als auch der Schwester-Schwester-Vergabe. Da die entsprechende Anwendung in der Praxis bisher umstritten war, soll eine ausdrückliche Klarstellung der Ausschreibungsfreiheit auch in diesen Konstellationen erfolgen.Des Weiteren werden die durch die Rechtsprechung des EuGH fortentwickelten Voraussetzungen der klassischen interkommunalen Kooperation übernommen und präzisiert. Neu gefasst wird zum Beispiel § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB (neu), wonach eine Ausnahme von der Ausschreibungspflicht dann greift, wenn der öffentliche Auftrag eine auf einer gemeinsamen Kooperationsvereinbarung beruhende Zusammenarbeit zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern zur Erreichung gemeinsamer Ziele begründet oder erfüllt. Der betreffende öffentliche Auftrag muss das Ergebnis einer Initiative zur Zusammenarbeit zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern sein und seinem Wesen nach eine kollaborative (effektive) Dimension aufweisen. Erforderlich ist daher ein Kooperationskonzept, wodurch mit Beginn der Zusammenarbeit sämtliche Aufgaben unter den öffentlichen Auftraggebern verteilt und so die Effektivität der Kooperation gesichert wird.
Letztlich enthält § 108 Abs. 10 GWB (neu) eine ausdrückliche Regelung zu weiteren Formen der Verwaltungszusammenarbeit und Verwaltungskooperation, die außerhalb des Anwendungsbereichs des GWB-Vergaberechts liegen. Dabei werden die genannten vergaberechtsfreien Verwaltungskooperationen ausdrücklich nicht abschließend geregelt. Neben den in der Rechtsprechung des EuGH bereits anerkannten und daher fortgeltenden Ausnahmen (z.B. Aufgabendelegation mittels Zweckvereinbarungen, Gründung/Beitritt zu kommunalen Zweckverbänden oder Kommunalunternehmen) sollen auch weitere Formen der Verwaltungszusammenarbeit, wie Initiativen der föderalen Verwaltungsdigitalisierung, vom Anwendungsbereich des Vergaberechts ausgenommen werden.
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