Sozialversicherungspflicht von Lehrkräften – BSG-Rechtsprechung und Übergangsregelung des § 127 SGB IV n. F.
Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist eine Beschäftigung nicht selbständig, wenn diese nach Weisungen erfolgt und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers vorliegt. So Beschäftigte sind nach § 1 SGB VI rentenversicherungspflichtig, die Beiträge tragen Versicherte und Arbeitgeber grundsätzlich zur Hälfte. Auch selbständig tätige Lehrer sind gemäß § 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI rentenversicherungspflichtig, ihre Beiträge tragen sie jedoch selbst.
Das Bundessozialgericht (BSG) hatte in seiner Entscheidung vom 05.11.2024 (Az. B 12 BA 3/23 R) die Rechtsfrage zu klären, unter welchen Kriterien Lehrende selbständig oder nicht selbständig beschäftigt sind.
Die Volkshochschule bot im Streitfall unter anderem Seminare zur Vorbereitung auf den Realschulabschluss auf dem zweiten Bildungsweg an. Sie vereinbarte mit dem Dozenten entsprechende Kurse für die Streitjahre 2017 und 2018. Die Deutsche Rentenversicherung Bund stellte Sozialversicherungspflicht aufgrund Beschäftigung fest, was das Bundessozialgericht bestätigte. Denn die vereinbarten Rahmenvorgaben ermöglichten dem Dozenten kein für Selbständigkeit sprechendes unternehmerisches Handeln mit entsprechenden Chancen und Risiken. Zwar lag nach den allgemeinen Vertragsbedingungen der Volkshochschule die methodisch-didaktische Durchführung und selbständige Gestaltung des Unterrichts bei dem Dozenten, er übermittelte regelmäßig eine Leistungseinschätzung der einzelnen Schüler an die Fachbereichsleitung und ein Weisungsrecht der Volkshochschule war ausgeschlossen. Dennoch sah das BSG kein ausreichend eigenes unternehmerisches Handeln des Dozenten. Denn die Lehrtätigkeit war von fremdbestimmten Abläufen in einem von der Volkshochschule verantworteten Konzept ohne wesentliche unternehmerische Freiheiten geprägt. Vor allem stellte die Volkshochschule die Unterrichtsräume zur Verfügung und stimmte die Unterrichtszeiten zur Sicherstellung des Kursangebotes insgesamt ab. Zudem wurde die Vergütung für tatsächlich geleistete Unterrichtsstunden nach Vorlage der Teilnehmerlisten oder für die Teilnahme an Kurskonferenzen von der Volkshochschule gezahlt.
Auch widersprach das BSG den Vorinstanzen in ihrer Auffassung, für die Zeit vor Juni 2022 habe es eine maßgebliche höchstrichterliche sogenannte Sonderrechtsprechung gegeben, wonach eine lehrende Tätigkeit als Dozent bei entsprechender Vereinbarung stets als selbständig anzusehen wäre. Es besteht insofern kein Vertrauensschutz aufgrund einer vermeintlichen Rechtsprechungsänderung. Entscheidungen über das Vorliegen sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungen beruhen entsprechend der sozialversicherungspflichtigen Statusfeststellung stets auf einer Einzelfallbeurteilung.
Hinweise:
Mit der BSG-Entscheidung hatte sich die Rechtsprechung im Bereich Sozialversicherungspflicht bei Fremdleistungen verschärft. Modelle der Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber (öffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen) und ihren Lehrkräften mussten überprüft und der sozialversicherungspflichtige Status im Einzelfall geklärt werden. Eine fehlerhafte Statusfeststellung konnte dazu führen, dass Beiträge für nachträglich als sozialversicherungspflichtig eingestufte Beschäftigungen vom Arbeitgeber nachzuzahlen waren. Auf die hierdurch bei Bildungseinrichtungen, Lehrenden und Beratern ausgelöste Verunsicherung hat der Gesetzgeber nun reagiert und mit Wirkung zum 01.03.2025 eine Übergangsregelung für Lehrtätigkeiten in Gestalt des § 127 SGB IV n. F. geschaffen (eingeführt durch Art. 6a des Gesetzes zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR und zur Änderung weiterer Vorschriften (BGBl. 2025 I Nr. 63 vom 28.02.2025)). Danach kann eine als selbstständig vereinbarte Lehrtätigkeit bis 31.12.2026 weiterhin rechtssicher als selbstständige Tätigkeit ausgeübt werden, wenn die Vertragsparteien bei Vertragsschluss übereinstimmend von einer solchen ausgegangen sind und die sie ausübende Lehrkraft zustimmt. Dies soll selbst dann gelten, wenn diese Tätigkeit nach den bisherigen BSG-Maßstäben im Rahmen einer sozialversicherungsrechtlichen Prüfung als abhängige Beschäftigung einzustufen wäre. In diesen Fällen entsteht nach der Neuregelung bis zum 31.12.2026 keine Versicherungs- und Beitragspflicht aufgrund einer solchen Beschäftigung. Aus Beweisgründen ist es anzuraten, die Zustimmung der Lehrkraft schriftlich zu dokumentieren. Bei bereits laufenden Statusfeststellungsverfahren sollte die schriftlich erteilte Zustimmung an den zuständigen Versicherungsträger übermittelt werden.
Ferner können Lehreinrichtungen die Zeit der Übergangsregelung nutzen, um möglicherweise ihre internen Strukturen und Verträge mit Lehrkräften so anzupassen, dass jene auch ab dem 01.01.2027 als Selbstständige behandelt werden oder einvernehmlich in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis übergehen.
Zur nach wie vor anzuratenden Klärung entsprechender, solche Beschäftigungsverhältnisse betreffender Statusanfragen stehen Ihnen neben der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung auch Fachanwältinnen und Fachanwälte unseres Kooperationspartners BDO Legal Rechtanwaltsgesellschaft mbH zur Verfügung.