BFH schränkt die Möglichkeit der Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art gem. § 4 Abs. 6 Satz KStG weiter ein
Zusammenfassung des Urteils:
Die Voraussetzung zur Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art wurden durch den Bundesfinanzhof, aufgrund seines Urteils vom 29. August 2024 (Az. V R 43/21), nun deutlich strenger gefasst.
Bei einer Zusammenfassung von mehr als zwei Betrieben gewerblicher Art (BgA) müssen danach die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 bis 3 KStG jeweils zwischen allen BgA, die zusammengefasst werden sollen, einzeln vorliegen. Damit erweist sich die in dem BMF-Schreiben vom 12.11.2009 dargelegte Auffassung zur Kettenzusammenfassung, als nicht mit dem geltenden Recht vereinbar.
Der Sachverhalt:
Der Entscheidung des BFH liegt ein Urteil des Finanzgerichts Schleswig-Holstein vom 17.06.2021 zugrunde. Die in dem vorliegenden Fall als Klägerin auftretende Anstalt des öffentlichen Rechts unterhielt die Betriebe Freibad und Wasserversorgung sowie zwei Blockheizkraftwerke (BHKW). Eines der beiden Blockheizkraftwerke befand sich auf dem Gelände des Freibades (BHKW I). In den Streitjahren von 2009 bis 2014 wurde jeweils, während der etwa fünfmonatigen Freibadsaison, die im BHKW I produzierte Wärme überwiegend durch das Schwimmbad verbraucht. Im restlichen Jahr wurden dagegen durch das BHKW I vor allem Drittkunden in einem nahegelegenen Neubaugebiet versorgt. Die für die Biogaserzeugung im BHKW I erforderliche Wärme wurde durch ein zweites, kleineres Blockheizkraftwerk (BHKW II) versorgt.
Davon ausgehend, dass ein BgA „Versorgung“ besteht, zu dem das Freibad, die BHKW und die Wasserversorgung gehören sollen, verrechnete die Körperschaft des öffentlichen Rechts in den Streitjahren ihre negativen Einkünfte aus dem Betrieb des Freibades mit den positiven Einkünften aus der Wasserversorgung und dem Betrieb der BHKW. Dem hielt das Finanzamt entgegen, dass der Freibadbetrieb nicht mit dem anderen BgA zusammengefasst werden könne. Zur Begründung führte das Finanzamt an, dass eine nach dem Gesamtbild der Verhältnisse objektive enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht nach § 4 Abs. 6 S. 1 Nr. 2 KStG nicht bestehe, da das BHK lediglich Wärme an das Freibad wie an fremde Dritte liefert.
Im erstinstanzlichen Verfahren gab das FG Schleswig-Holstein (Urteil vom 17. Juni 2021 – K 115/17) der Klage statt und ließ die Verrechnung der Verluste aus dem Betrieb des Freibades mit den Einkünften aus einem zusammengefassten Versorgungs-BgA zu. Dabei ging es davon aus, dass mit dem Betrieb der BHKW und des Freibades sowie der Wasserversorgung drei eigenständige BgA vorlägen, diese jedoch in einem zweistufigen Prüfungsverfahren (Kettenzusammenfassung) zusammenfassbar seien. In einem ersten Schritt könnten der BgA "BHKW" und der BgA "Wasserversorgung" als Versorgungsbetriebe nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 KStG zusammengefasst werden. Der so zusammengefasste BgA "BHKW/Wasser-versorgung" könne in einem zweiten Schritt mit dem verbliebenen BgA – dem BgA "Freibad" – nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG zusammengefasst werden. Entsprechend dem BMF-Schreiben vom 12.11.2009 (BStBl I 2009, 1303) reicht es für die Zusammenfassung eines BgA mit einem bereits zusammengefassten BgA aus, dass die Zusammenfassungsvoraussetzungen grundsätzlich nur zwischen diesem BgA und einem der zusammengefassten BgA gegeben seien. Dem folgte auch das FG und bejahte die Zusammenfassung wegen einer engen wechselseitigen technisch-wirtschaftlichen Verflechtung zwischen dem BgA "Freibad" und dem BgA "BHKW".
Das Finanzamt legte gegen diese Entscheidung Revision ein und macht mit dieser geltend, dass das FG zu Unrecht eine wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung im Sinne von § 4 Abs. 6 S. 1 Nr. 2 KStG zwischen dem BgA Freibad und dem BgA BHKW angenommen habe, da die Verflechtung ausschließlich aus der Sicht des Freibades betrachtet wurde.
Im Verlauf der Verhandlung hatte der BFH, wegen Bedenken im Hinblick auf die bisherige Verwaltungsauffassung, das BMF gem. § 122 Abs. 2 FGO aufgefordert, Stellung zu nehmen. Auch die Argumente des BMF konnten den BFH jedoch letztendlich nicht überzeugen.
Entscheidungsgründe des BFH:
Der BFH gab der Revision des Finanzamtes statt und lehnte die Klage ab.
Der BFH begründet seine Entscheidung zunächst damit, dass § 4 Abs. 6 S. 1 Nr. 1 KStG keine abgestufte Kettenbetrachtung ermöglicht, bei der mehrere BgA gedanklich nacheinander zusammengefasst werden, wenn dies bei einer zeitgleichen Betrachtung nicht möglich wäre. Das sei der Grund, warum auch bei einer Zusammenfassung von mehr als zwei BgA die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 S. 1 Nr. 1 bis 3 KStG jeweils zwischen allen BgA, die zusammengefasst werden sollen, vorliegen müssen.
Dies ergebe sich bereits durch den Wortlaut und der systematischen Stellung des § 4 Abs. 6 KStG. Dieser nehme Bezug auf den § 4 Abs. 1 KStG und damit auf jeden BgA. Schließlich spreche auch die Gesetzgebungsgeschichte und der Sinn und Zweck des § 4 Abs. 6 KStG gegen die Annahme einer Kettenzusammenfassung, da nicht ersichtlich sei, warum bei der Zusammenfassung von mehr als zwei BgA von anderen Grundsätzen ausgegangen werden sollte als bei der einfachen Zusammenfassung von zwei BgA.
Somit erklärt der BFH die in dem BMF-Schreiben vom 12.11.2009 niedergelegte Auffassung zur Kettenzusammenfassung als nicht mit dem geltenden Recht vereinbar. Für die Begründung einer Zusammenfassung müssten im vorliegenden Fall daher auch zwischen dem BgA Freibad und dem BgA Wasserversorgung die Voraussetzungen einer „engen wechselseitig technisch-wirtschaftliche Verflechtung“ bestehen. Dies lehnt der BFH jedoch ab, sodass die Klage dadurch abzuweisen war.
Nicht abschließend entschieden hat der BFH, die noch im Verfahren thematisierte Frage, ob sich aus dem Begriff der „Zusammenfassung“ im Einleitungssatz des § 4 Abs. 6 S. 1 KStG ein eigenständiges Erfordernis der organisatorischen Verflechtung zwischen den zusammenzufassenden BgA ergibt. Sollte diese Frage bei zukünftigen Verfahren entscheidungserheblich sein, ist aufgrund der erkennbaren Tendenzen des BFH davon auszugehen, dass auch dieser Umstand zukünftig als Voraussetzung für eine wirksame Zusammenfassung gegeben sein muss.
Ausblick:
Die Auswirkungen des BFH-Urteils sowie die Reaktion der Finanzverwaltung sind noch nicht vollständig absehbar. Zwar könnte die Finanzverwaltung grundsätzlich mit einem Nichtanwendungserlass reagieren, wodurch das Urteil nur auf den Einzelfall anzuwenden wäre, jedoch lehnte der BFH in dem vorliegenden Urteil die Kettenzusammenfassung ausdrücklich als solche ab.
Weiterhin ist zu beachten, dass sich der BFH zu dem Erfordernis der organisatorischen Verflechtung zwischen den zusammenfassenden BgA, mangels Entscheidungserheblichkeit, nichtabschließend geäußert, jedoch eine Tendenz zu erkennen gab.
Es bleibt somit abzuwarten, wie sich die Entscheidung des BFH insbesondere auf die Finanzverwaltung auswirkt. Bestehende Strukturen sollten jedoch bereits jetzt kritisch hinterfragt werden und zukünftige Zusammenfassungen von BgA nur unter Beachtung der vom BFH aufgestellten Kriterien erfolgen.
Für eine Beratung im Einzelfall stehen wir Ihnen selbstverständlich jederzeit gerne zur Verfügung.